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Vor 50 Jahren - Bau der Zeltkirche St.Bernhard

Regenbogen über der Zeltkirche St.Bernhard

Regenbogen über der Zeltkirche St.BernhardWas ist das Wahrzeichen von Schiefbahn ? Diese Frage wäre noch vor 50 Jahren einstimmig mit dem „Gänsejungen" beantwortet worden, jenem Denkmal des jungen Künstlers Franz Grüters, das 1938 auf der Hochstraße gegenüber vom Rathaus aufgestellt wurde.

Doch der Gänsejunge hat Konkurrenz bekommen, eine wahrlich starke Konkurrenz. Von einem Gebäude, das auf Briefköpfen und Autoaufklebern prangt und dank seiner unverwechselbaren Silhouette einen hohen Wiedererkennungswert hat - der vor 50 Jahren fertig gestellten Zeltkirche St.Bernhard.

Die Geschichte dieser Zeltkirche ist auch die Geschichte der Missionsschule St.Bernhard. Gehen wir also zurück ins Jahr 1945, als Deutschland nach dem Zusammenbruch der Hitler-Diktatur in Schutt und Asche lag. Am 1.September zog Pater Mehren vom Orden der Hünfelder Oblaten in der ehemaligen Oetker-Villa ein - mit einem Leiterwagen voller alter Möbel und einer Vision: der Errichtung einer Missionsschule im niederrheinischen Schiefbahn. Am 15.Oktober fand der erste Gottesdienst in der Villa statt. In der Folgezeit kamen weitere Patres und Brüder nach Schiefbahn, um Pater Mehren beim Aufbau der Schule zu unterstützen.

Bau der Zeltkirche St.Bernhard 1962Genau ein Jahr nach dem ersten Gottesdienst, am 15.10.1946, öffnete die Missionsschule St.Bernhard mit angeschlossenem Internat. Die ersten 21 Schüler kamen, sozusagen als Aufbauhilfe, aus der Missionsschule in Burlo/Westfalen. Viele weitere Schüler kamen hinzu, und bald reichte kein Raum der Oetker-Villa mehr aus, um alle Besucher des Gottesdienstes aufzunehmen.

Pater Franz Schwarz, seines Zeichens erster Superior der neuen Missionsschule, reagierte und ließ 1948 eine Barackenkirche errichten - ungefähr dort, wo heute der Eingangsbereich des Gymnasiums ist. In den nächsten Jahren wuchs die Schule stetig - 1953 wurde das Kloster- und Internatsgebäude errichtet, in dem sich heute Stadtverwaltung und Kindergarten befinden, 1960 die Gebäude „Schule 1" und „Schule 4". Nun reichte auch die Barackenkirche nicht mehr aus, eine neue Lösung musste her.

Mit dem Bau der neuen Kirche wurde der Architekt Josef Bieling aus Kassel beauftragt. Im Vordergrund seines Entwurfsgedankens stand die Schaffung eines Zentralbaues, wodurch eine aktivere Teilnahme am Gottesdienst und eine stärkere Betonung der Gemeinschaft erreicht werden sollte - ein Leitgedanke des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die Erläuterungen des Architekten zu seinem Bauvorhaben lesen sich fast schon prosaisch:

Der von zwölf Säulen getragene, zeltartige Stahlbeton-Skelettbau symbolisiert das von den zwölf Aposteln getragene Zelt Gottes über den Menschen. Das vorgelagerte Atrium und die Eingangshalle dienen als Ort der Ruhe und Besinnung. Sie sollen auf das Betreten der Kirche vorbereiten und zugleich einen Kontrast zu der Höhe des Kirchenraumes bilden, die den Eintretenden überwältigen und dem Geheimnis der Opferfeier näher bringen soll. Die Seminaristen sollten auf die Teilnahme an der Opferfeier vorbereitet werden. Deshalb führen die Kirchentüren nicht unmittelbar in den Kirchenraum. Man betritt die Kirche durch die Eingangshalle und steht dann in dem nach oben geöffneten Atrium, vollständig abgeschlossen von der Umwelt, ein ruhiger Ort der Besinnung und Vorbereitung, ermahnt durch die Statue des hl. Bernhard als Schutzpatron der Kirche. Anschließend durchschreitet man den zum Kirchenraum hin sich verjüngenden, niedrig gehaltenen Windfang und wird danach überwältigt von der mächtigen Höhe des Kirchenraumes.

Innenansicht der Zeltkirche St.Bernhard 1988Josef Bieling gelang mit seiner Kirche ein wahrlich großer Wurf. Sie wurde in der Fachwelt als das „originellste und kühnste Neubauprojekt der näheren und weiteren Umgebung" gerühmt. In den folgenden Jahrzehnten wurden hier zahllose Gottesdienste gefeiert und die Zeltkirche zog immer mehr Besucher aus der näheren und weiteren Umgebung an.

Doch mit dem Entschluss der Hünfelder Oblaten, das Haus Schiefbahn als eigenständiges Kloster aufzulösen und damit auch die Patres aus der Oetker-Villa abzuziehen, stand auch die Nutzung der Kirche zur Disposition - zumal das St.Bernhard-Gymnasium dringend einen großen Saal für schulische Veranstaltungen benötigte. Schon bald nach der Auflösung des Klosters im Jahre 1993 begannen die Planungen, die Kirche in ein "Forum" umzubauen. Ende der 90er Jahre wurde die Kirche offiziell entwidmet, für Gottesdienste wurde fortan die benachbarte "Schneekapelle" genutzt.

Durch die neue Nutzung hat das Gebäude jedoch nichts an seinem Charme verloren. Im Gegenteil: Es ist die „gute Stube" des St.Bernhard-Gymnasiums, ein Wahrzeichen von Schiefbahn und eine unverwechselbare Silhouette in unserem Stadtgebiet.