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Vor 100 Jahren: Geburtstag Anna Rütten

Gedenkkreuz für Anna Rütten

Gedenkkreuz für Anna RüttenViele Willicher kennen den Anna-Rütten-Weg, welcher den Übergang vom Gewerbegebiet Münchheide zum Stadtteil Alt-Willich bildet - aber kaum einer weiß etwas über die Namensgeberin Anna Rütten und ihr Schicksal.

Anna Rütten hätte am 11.Januar 2001 ihren 100.Geburtstag gefeiert - tatsächlich wurde sie jedoch nur 34 Jahre alt, ermordet von einem ehemaligen russischen Kriegsgefangenen, ermordet wegen ihres Fahrrads.

Anna Rütten wohnte auf der heutigen Hülsdonkstraße in Alt-Willich. Nachdem die beiden im Dorf praktizierenden Mediziner, Dr.Bönner und Dr.Zimmermann, zur Wehrmacht eingezogen wurden, war sie die einzige Ärztin im Ort. Sie erledigte ihre Aufgabe mit Bravour, vor allem in der schwierigen Übergangszeit nach dem Einmarsch der Amerikaner am 1.März 1945.

Der 1.März 1945 bildete auch für die in und um Willich untergebrachten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter einen tiefen Einschnitt. Sie waren zur Unterstützung der deutschen Kriegswirtschaft vor allem aus dem Osten Europas verschleppt und auf verschiedene Lager im Kreisgebiet verteilt worden. Dort waren sowohl die Unterbringung als auch die Verpflegung meist katastrophal, viele verstarben an Krankheit und Auszehrung. Nach der Besetzung fassten die Amerikaner die „Displaced Persons" in großen Lagern zusammen, um sie von dort aus wieder in ihre jeweilige Heimat zu schicken. So wurden einige hundert Russen und Polen im Krefelder Edelstahlwerk und im ehemaligen Erziehungsheim Fichtenhain untergebracht. Viele dieser Displaced Persons sehnten sich nach einer baldigen Rückkehr in ihre Heimat, viele sannen aber auch auf Rache, Rache an jenen, die sie über Jahre hinweg gedemütigt hatte, Rache aber auch an allen Deutschen.

Zurück zu Anna Rütten. Am Abend des 14.Juli 1945 wollte sie noch eine Wöchnerin auf den Holterhöfen besuchen. Statt der Krefelder Landstraße entschied sie sich für die Abkürzung durch das Münchheider Feld, obwohl gerade die einsamen Feldwege nicht ungefährlich waren. In der Nähe des Mertenshof muss sie ihrem Mörder begegnet sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelte es sich um einen jener „Displaced Persons", einen ehemaligen russischen Kriegsgefangenen. Jener hatte nämlich kurz zuvor noch auf der Suche nach Lebensmitteln einen benachbarten Bauernhof aufgesucht. Über den Tathergang kann man nur spekulieren, auf jeden Fall fand man sie wenig später mit einem Genickschuß tot im Feld, das Fahrrad war verschwunden.

Zur Erinnerung an Anna Rütten wurde an der Todesstätte ein schlichtes Holzkreuz aufgestellt, ihr Grab befindet sich unmittelbar am Hochkreuz auf dem Willicher Friedhof. Der Tod von Anna Rütten blieb kein Einzelfall: Allein in Willich begingen die „Displaced Persons" im Zeitraum von März bis August 1945 vier Morde und weitere 40 schwere Körperverletzungen. Die Lage besserte sich erst, als die Amerikaner die Rückführung der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter in ihre Heimatländer forcierten. Dort erwartete sie oftmals die nächste Erniedrigung - so ließ Stalin zahlreiche zurückgekehrte Kriegsgefangene in die Gulags deportieren, wo sie erneut Tod und Erniedrigung erwarteten.