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Vor 250 Jahren: Ende des Virmondschen Erbfolgestreites

Portrait des Ambrosius Franz von VirmondAm 19.November 1744 spielten sich in Wetzlar dramatische Szenen ab: Reichskammerrichter Ambrosius Franz Friedrich von Virmond (Bild) klagte auf einem Maskenball über Schmerzen und wünschte, umgehend in seine Residenz gefahren zu werden. In der Kutsche fiel er dann seiner 40 Jahre jüngeren Gemahlin Maria Elisabeth von Nesselrode tot in die Arme. Der Graf hinterließ keine Kinder - was zu langwierigen Auseinandersetzungen um das Virmondsche Erbe führen sollte.

Die Kontrahenten konnten unterschiedlicher nicht sein: Auf der einen Seite die Witwe - jung, unerfahren, mittellos. Auf der anderen Seite der Kölner Erzbischof Clemens August, einer der mächtigsten Fürsten seiner Zeit. Doch Maria Elisabeth von Nesselrode sollte alle überraschen. Dank ihres Mutes, ihrer Beharrlichkeit und auch ihrer Raffinesse zwang sie den mächtigen Erzbischof auf Augenhöhe und erreichte letztlich einen für sie höchst günstigen Kompromiss.

Bereits vier Tage nach dem Tod des Gemahls ordnete die 21jährige Gräfin die Besitzergreifung von Schloss Neersen und der weiteren Virmondschen Besitzungen an. Dabei wusste sie genau, dass nach dem uralten kölnischen Lehnsrecht bei Kinderlosigkeit die Herrschaft Neersen an den Landesherrn zurückfallen musste. Außerdem gab sie recht deutlich zu verstehen, dass sie „der Gesundheit halber" den Rest ihres Lebens nicht auf dem „windischen" Schloss Neersen verbringen wollte. Den Ort Neersen bezeichnete sie despektierlich als „Wespennest". Es ging ihr also in erster Linie darum, für die Besitzungen soviel Geld wie möglich herauszuschlagen.

Die Reaktion des Kurfürsten ließ nicht lange auf sich warten. Am 18.Dezember ordnete er die Besitzergreifung von Schloss und Herrschaft Neersen an. Vier Tage später stattete der kurfürstliche Kommissar Winkelblech 30 Schiefbahner Bauern mit Waffen aus und besetzte das Schloss. Der von der Witwe eingesetzte Amtsverwalter Weydenhorst konnte das ganze Theater nur schulterzuckend zur Kenntnis nehmen - mangelte es ihm doch an jeglicher Möglichkeit zum Widerstand.

Doch Maria Elisabeth von Nesselrode dachte nicht im geringsten daran aufzugeben: am 2.Januar 1749 erhob sie Klage am Reichskammergericht und bekam umgehend Recht. Auch die Revision des Kurfürsten wurde verworfen - die Besitzergreifung sei in Wahrheit eine Beraubung gewesen. Die Gräfin sei in ihrem Besitz zu belassen und die entstandenen Schäden zu ersetzen. Mit der Vollstreckung des Urteils wurde kein geringerer als Friedrich der Grosse beauftragt. Durch den Ausbruch des Siebenjährigen Kriegs hatte dieser jedoch andere Probleme und das Schloss blieb bis auf weiteres im kurkölnischen Besitz.

Erst 1762 änderte sich die Lage: Erzbischof Clemens August verstarb und sein Nachfolger Maximilian Friedrich wünschte eine einvernehmliche Lösung. Die Verhandlungen endeten schließlich am 30.September 1763 in einem Kompromiss: Die Witwe verzichtete auf alle Besitzungen und sollte dafür eine Abfindung von 110.000 Rheinischen Gulden erhalten. Aber auch jetzt nahm der Ärger kein Ende. Denn der vom Erzbischof beauftragte Geheimrat von Märcken verzögerte die Abwicklung und wirtschaftete stattdessen hemmungslos in die eigene Tasche. Erst zwei Jahre später wurde er abgelöst und der Erzbischof nahm die Sache selbst in die Hand, in dem er zur Beschaffung der Abfindung mehrere kurfürstliche Güter verkaufte.

So kam es, dass Maria Elisabeth am 14.Januar 1767 in einer mit Trauerrand versehenen Urkunde Schloss und Herrschaft Neersen offiziell an das Kurfürstentum Köln abtrat. In ihrem Besitz verblieben alleine die Gemälde der Ahnengalerie - jene Gemälde, die heute wieder im Ratssaal zu besichtigen sind. Der Kölner Erzbischof wiederum sollte sich nicht lange über seine neuen Besitzungen freuen: Bereits 1794 wurde Kurköln von französischen Revolutionstruppen besetzt. 1801 war es auch staatsrechtlich Geschichte.