Stadt Willich

Inhalt

Felicitas Lensing Hebben - O.T.

gebrannte Tonerde und Metall

Weitere Ansichten des Kunstwerks

Inhaltliches ist das Thema bei Felicitas Lensing-Hebben, das alle ihre plastischen Arbeiten durchzieht, immer noch der menschliche Körper. Untrennbar damit verbunden ist die formelle Gestaltung, die Frage nach dem plastischen Körper im Verhältnis zur Fläche. Damit berührt sie eines der Grundproblem jeder dreidimensionalen Gestaltung, denn jeder Körper hat eine Fläche, die ihn umfängt. Keine Fläche ohne Köper, kein Körper ohne Fläche. Fläche ist das, was ein Volumen umspannt. Das gilt für den Cubus, genau wie für den menschlichen Körper.

Aber was genau bedeutet Fläche in Bezug auf den menschlichen Körper? Uns umhüllt Haut, die uns vom Raum trennt, uns zusammenhält und schützt, doch außer Element der Abgrenzung, ist sie vor allem ein Sinnesorgan, eine empfindsame Grenzmembran, an der sich der Kontakt mit der Außenwelt spürbar ereignet. Diese Körpereindrücke bestimmen maßgeblich unsere Innenwelt. Wie findet man einen Ausdruck für das, was in dieser scheinbar formlosen inneren Welt vor sich geht? Für das eben, was man gemeinhin vielleicht als Seele beschreibt oder weniger prosaisch als Lebendigkeit, Spiritualität, Emotion oder innere Haltung.

Felicitas Lensing-Hebben wählt die Reduktion des Körpers, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich etwas Geheimnisvolles im Inneren befindet. Sie entfernt sich bei allen Plastiken vom Naturalistischen und Individuellen. Aus dem biblischen Urmaterial Tonerde, formt sie einzelne rechteckige Hohlelemente, die sie zu einer hoch aufragenden Form aufeinandersetzt. Arme und Beine sind in das menschengroße, schmale Rechteck eingeschmolzen, machen es unmöglich, dass sich die Figur durch gestische Vermittlung zu erkennen gibt. Der Kopf ist erhaben, thront als gekrönter Abschluss auf dem stilisierten Körper oder wird einzeln als Büste umgesetzt. Zum anderen sind da die aufwendig gestalten, mit phantasievollen Kürzeln und Ritzungen und geheimnisvollen Zeichen übersäten Oberflächen der Plastiken, die wie Narben und Bannsprüche von Erlebtem zeugen.

Ganz augenscheinlich geht es Felicitas Lensing-Hebben nicht um einen momentanen Ausdruck oder die Vermittlung einer Stimmung. Sie sucht keinen Ausdruck für das Individuum, sondern für das, was allen Menschen eigen ist. Nicht für das Trennende, sondern für das Wesentliche, das seit Urzeiten im Inneren vermutet wird. Nach außen hin sind ihre Plastiken verschlossen, in ihrer Rüstung verschanzt, mehr Turmarchitektur als organische Form. Ohne individuelles Antlitz bewahren die tönernen Plastiken das Geheimnis des Lebens in ihrem Inneren.

Felicitas Lensing-Hebben bedient sich der unmittelbaren Sprache eindringlicher, archaischer Formen, die ihre Plastiken wie uralte Relikte erscheinen lassen. Und tatsächlich gibt es im Verhältnis von innen und außen Parallelen zu archaischen und christlichen Kultobjekten. Die Hohlfom scheint die Antwort auf die Frage, wie das Numinose darzustellen sei, wie Unsichtbares sichtbar wird und Gestaltloses Ausdruck und Form erhält.

Man denke an das Tabernakel, den Schrein, in dem in der katholischen Kirche begleitet vom ewigen Licht die Hostie als Unterpfand der Anwesenheit des Göttlichen bewahrt wird. Oder an Reliquiare, die kunstvollen Behältnisse für Reliquien. Handelt es sich dabei um Knochen oder andere Körpersubstanzen, dann müssen diese Behältnisse wie auch das Tabernakel und die legendäre Bundeslade aus undurchsichtigem Material sein. Der direkte Anblick des Göttlichen bringt den Tod und selbst seine Repräsentationen müssen dem Blick entzogen werden. Das Unsichtbare kann nicht selbst sichtbar werden, wohl aber die Wohnstätte, das Gehäuse, in dem es symbolisch aufbewahrt wird. Und diese muss nach außen die hohe Bedeutung dessen, was es im Inneren bewahrt, vermitteln. Die Plastiken von Felicitas Lensing-Hebben sind auch in diesem Sinne Architekturen und Gehäuse, dessen, was nicht darstellbar ist.

Felicitas Lensing-Hebben ist in Emmerich am Niederrhein geboren. 1988 - 1994 Studium Keramik Design bei Prof. Crumbiegel an der Fachhochschule Niederrhein in Krefeld. Seit 1991 ist sie
freischaffende Künstlerin mit eigenem Atelier in Düsseldorf.

Texte: Jutta Saum M.A.
Fotos: Lena Kuntze

 

weitere Daten
Art Städtische Kunstsammlung
Künstler Felicitas Lensing-Hebben
Titel des Werkes O.T.
Material gebrannte Tonerde und Metall
Größe 20cm x 20cm x20cm
Anschaffungsjahr 2001
Homepage www.felicitas-lensing-hebben.de